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Warum ich auf meine Vorgesetzten hören sollte.

- von Karis -

Ein seltsames Thema. Ein Thema, das mir auf den ersten Blick sehr kurz abhandelbar schien. Beinhaltet diese implizit gestellte Frage gleich ihre Antwort: Ich SOLL auf meine Vorgesetzten hören.

Nein, dieser Bericht ist damit leider nicht beendet. Ich entschloss mich nach kurzer Überlegung, wenigstens ein Mindestmaß an Forschung zu betreiben – und fand Schreckliches.

Mein erster Gedanke war, meine geschätzten Ausbilder zu interviewen – sie dienen dem Struv von Anfang an, sie sollten wissen, warum. Aber was bot sich für ein Bild des Grauens, als ich sie nach Vorgesetzten frug! Ich darf zu diesem Zweck einige meiner inzwischen nicht mehr gar so geschätzten Ausbilder und Tutoren zitieren:

„Tut mir wirklich leid, dass ich darüber nichts weiß.“.

Hondam Unterfels

Nun, das soll noch nicht weiter verwundern, ist Hondam doch nie über den Rang eines Gra´Takals hinausgekommen. Aber was soll man davon halten, wenn hochdekorierte (warum eigentlich??) Ausbilder wie Isengrimm Murd Aussprüche von sich geben wie:

„Albernes Gewäsch!“

Auch Trinas Gesichtsausdruck ließ viel zu wünschen über. Ich möchte wetten, sie dachte wieder: ‚. o O (Männer…)‘ Nicht einmal unser geschätzter Kommandant (aus Rücksicht auf seine Position möchte ich seine Aussagen hier nicht wiedergeben) konnte mir bei dieser Frage weiterhelfen.

Ich beschloss, meine Umfrage etwas auszuweiten. Kurzerhand befragte ich die anwesenden Zalkh´Batars und Takal´Mors nach ihrer Meinung. Aber auch hier bot sich ein erschreckendes Bild – obschon sich die kämpfende Truppe deutlich mehr Gedanken gemacht hatte als ihre offensichtlich langsam vergreisenden Ausbilder. Von Gegenfragen wie „Sollte man das?“ über „Wieso nicht?“ und „Weils sonst Haue gibt?“ einmal abgesehen ging es bis hin zu „Ist doch praktisch … Man ist nie selber schuld“. Zur Ehrenrettung einiger unserer oberen Trves muss man sagen, dass sich einige durchaus dessen bewusst sind, dass die Vorgesetzten „es einfach meist besser wissen“.

Ich war entsetzt. Das war also der freie Geist der Gemeinschaft, der ich mich einmal frohen Herzens angeschlossen hatte.

„Verstandesklarheit und Sinnesschärfe leite unser Denken.“

Kodex, III Satz 1

hatten alle geschworen,

„verachtenswert seien Dummheit und Ignoranz“

Kodex, III Satz 2

so verkündet es ein jeder Trves bei seiner Vereidigung. Und nun hört man nur noch, wie ein Haufen Anarchisten (die diesen Bericht zu allem Unglück auch noch bewerten sollen …) diese einzigartige Hierarchie des Struv untergraben und sie nicht ernst nehmen. Lediglich einige der rangniedrigeren Trves wussten über die großen Vorteile, die Vorgesetzte manchmal haben.

Nach diesen äußerst ernüchternden Erkenntnissen war mir schlagartig klar, dass hier Grundlagenarbeit geleistet werden musste. Ich hoffte, in den alten Überlieferungen in der Struvbibliothek Antworten zu finden. Doch auch hier musste ich feststellen, dass zwar eine Hierarchie aufgestellt wurde – dies kann man in der Schriftrolle „Über die Laufbahn als Trves des Koru-Tschakar-Struv“ genauer nachlesen, eine reine Auflistung erscheint mir hier als allzu umständlich – aber nirgendwo auch nur der Hauch eines Kommentars über einen „Vorgesetzten“ zu finden ist. Selbst das Wort wird nur spärlich verwendet – sollte das ein Hinweis darauf sein, dass die Hierarchie, in der ich mich mühsam nach oben gekämpft hatte, in der Realität des Kampfes nicht im Mindesten so wichtig sein sollte wie es uns gelehrt wurde? Und wenn diese Hierarchie so wichtig nicht sei – wie soll man dann bestimmen, wer nun vorgesetzt sei?

An diesem Punkt sollte nun meine eigentliche Arbeit beginnen. Die beschriebenen Fragen, die sich mir aufdrängten, sollten, ja, mussten sogar beantwortet werden.

Welche Aufgaben soll ein Vorgesetzter erfüllen?

Jedenfalls nicht „vor einem zu sitzen“, wie der Wortlaut manchem Zwerg vielleicht nahelegt. Nein, Rat und Tat wird von ihm erwartet, Hilfestellung, Güte und Weisheit. Anleiten soll er die, die ihm nicht nur untergeben, sondern vor allem anvertraut sind. Dazu muss er sich natürlich der ungeheuren Verantwortung bewusst sein, die er übertragen bekommen hat: Das Leben derer, die ihm oft blind folgen, liegt in seinen Händen. Und undankbar ist seine Aufgabe: wird der Gegner besiegt, feiert sich jeder aus dem Trupp als der Größte … verliert aber nur einer sein Leben, so wird der Führer dafür verantwortlich gemacht.

Wer ist nun eigentlich ein Vorgesetzter?

Wie oben schon erwähnt, kamen mir Zweifel daran, einen „Vorgesetzten“ einfach nur an einer vorgegebenen Hierarchie festzumachen. Und ich fand Bestätigung. Wie oft kommt es vor, dass ein kleiner Druzk von einem Takal´Mor geführt wird und ein oder sogar mehrere Zalkh´Batars ihm bereitwillig folgen! Warum wohl bestehen unsere sicherlich stärksten Kämpfer nicht darauf, die Verantwortung für den Trupp selbst zu übernehmen? Einfach nur aus Faulheit? Nein, das halte ich schier für unmöglich. Viel eher haben sie die Kenntnisse anerkannt, die sich ein Rangniedrigerer in bestimmten Gebieten und bei speziellen Gegnern angeeignet hat. Falscher Stolz wäre hier fatal – steht doch nicht nur das Leben des Kampftrupps, sondern auch die Ehre der Trves auf dem Spiel (ich möchte gar nicht daran denken, wie unangenehm es wäre, würde bei den Zauberstabtricksern oder den Sektierern um Arkshat bekannt, dass ein Trupp einen Umweg über Lars in Kauf nehmen musste, nur weil ein dienstgradbesessener Zalkh´Batar nicht in der Lage war, die Führung für kurze Zeit an einen Kundigeren abzugeben …).

In der Schriftrolle, in der die Ränge und Dienstgrade niedergeschrieben sind, steht deutlich geschrieben:

„Schon immer galt das Leistungsprinzip.“

Das war nun endlich der lang gesuchte Nachweis, dass ein Vorgesetzter nicht immer zwangsläufig der Ranghöhere oder Dienstältere sei, wie viele das wohl vermutet hätten. Habe ich die Begründung zum Rang bereits abgegeben, sei es mir nun gestattet, ein wenig über das Dienstalter zu resümieren. Die Karteikarte eines jeden Kämpfers auf Brieseltrims Schreibtisch (er ist nicht schwer zu finden, schließlich ist es ja der einzige Schreibtisch im Struv) gibt genaue Auskunft darüber, wann ein Abenteurer sich endlich entschlossen hat, den rechten Weg zu wählen und sich unserer Gemeinschaft anzuschließen.

Vergleicht man jedoch Rang und Dienstalter, so erhält man unglaubliche Unterschiede. Manche erreichen nach wenigen Monaten bereits den Rang eines Zalkh´Batars, andere schaffen es nach Jahren nicht. Vergleicht man dieses Verhältnis mit dem Lebensalter des Kämpfers und sieht bei Gelegenheit an den richtigen Orten nach, so wird man feststellen, dass so mancher Kämpfer seinen Dienst wohl träumend auf Blumenwiesen oder auf und unter den Tischen einschlägiger Kneipen verbracht hatte, anstatt seine Kenntnisse über Waffen und Rüstungen zu erweitern, seine jüngeren Kollegen auszubilden und wichtige Forschungsaufgaben für Brieseltrim zu übernehmen. Diesen Kämpfern gegen Wein und Schnaps auch noch Privilegien aufgrund des Dienstalters anzutragen, erscheint mir doch ein wenig unangebracht.

Es ist leider notwendig, noch einige Worte über Vorgesetzte aus anderen Gilden zu verlieren. Höre ich da einen Aufschrei? Ja, er ist völlig berechtigt und durchaus angebracht. Vorgesetzte aus anderen Gilden gibt es schlicht nicht. Nicht für uns Trves. Auch hier sei wieder auf die Grundlage unserer Gemeinschaft verwiesen: der Kodex. Ich darf zitieren:

„Dem freien Geist der Gemeinschaft der Trves unterwerfen wir uns, wohl wissend, dass wir Teil seiner sind. Kein äußeres Gesetz soll unser Handeln beschränken, kein fremder Herrscher Willkür zu Recht erheben.“

Unser Handeln darf also nur durch eigene Gesetzte bestimmt werden, denn nur unserem Gemeinschaftsgeist haben wir uns unterworfen. Wo kämen wir auch hin, würden wir uns von Spitzhüten bevormunden lassen, die nur im Sinn haben, unser geliebtes Struv dem Erdboden gleich zu machen! Oder was würde passieren, wenn uns auf einmal diese versoffenen Insulaner im ständigen Bierrausch befehligen würden? Am Ende kommt gar noch jemand auf die Idee, wir sollten unsere Gegner zu Tode beten … ich möchte gar nicht weiter darüber nachdenken! Was die seltsame Gilde der Magier betrifft – sie sind Schöpfer, Herrscher und Richter zugleich, aber auf jeden Fall erheben sie immer und überall ihre Willkür zu Recht – über diesen Aspekt möchte ich unseren Kommandanten aus naheliegenden Gründen bitten, alsbald ein weiteres Forschungsprojekt zu starten – die Diskussion würde den Rahmen dieses Berichts doch sprengen. Ich denke, die Frage, was einen zum Vorgesetzten macht, ist nun ausführlichst behandelt. So erlaube ich mir nun, eine weitere Frage zu diskutieren:

Was heißt, ich soll auf meinen Vorgesetzten hören?

Diese Frage lässt sich ebenso einfach wie schnell beantworten. Hören heißt hier sicherlich nicht, man solle blind folgen. Nein, dies wäre sogar völlig falsch.

„Verstandesklarheit und Sinnesschärfe leite unser Denken“

heißt es in unserem Kodex, ich muss nochmals daran erinnern! Nie darf ich einen Befehl eines Vorgesetzten ausführen, ohne über seine Folgen nachgedacht zu haben – andernfalls bringt ein Kämpfer nur Schmach und Schande über sich. Warum auch sollte man einem missgünstig Gesinnten folgen, wenn er sagt: „Spring in den Abgrund dort!“ Man beachte hier lediglich, dass es durchaus Ratschläge erfahrener Kämpfer gibt, die zwar seltsam klingen, aber dennoch zum Sieg führen können. Ich weise hier lediglich auf den Befehl „Lass Dich fressen!“ hin, der des Öfteren bei einem unlängst gesichteten Monster namens Großmaul gegeben wird. Einer der tapferen Recken wird hier vom Großmaul tatsächlich verschluckt. Dieses, anschließend wohl gut gesättigt, kann daraufhin problemlos von den Kollegen erlegt werden und der Gefressene übersteht die Minuten der Angst völlig unbeschadet – abgesehen von einem nicht weiter störenden Geruch.

So möchte ich, nachdem ich erläutert habe, was es heißt, auf jemanden zu hören und vor allem auf wen man hören sollte, die langerwartete und heißersehnte Antwort auf die Frage geben, WARUM denn soll ich nun auf meine Vorgesetzten hören. Soll ich das überhaupt? Diese Gegenfrage, die mir am Anfang oft gestellt wurde und über die ich so entsetzt wie verzweifelt war – sie ist so einfach nicht zu beantworten. Im Laufe meiner Forschungsarbeiten wurde mir klar, dass die oben genannten Äußerungen der Ausbilder und unserer ranghöchsten Mitglieder nicht, wie zuerst gedacht, aus Unwilligkeit, Anarchie oder einfach zu wenig Ernst entsprangen, sondern vielmehr die große Weisheit und Erfahrung widerspiegelten, die sie im Laufe ihres Daseins gesammelt hatten. So kann ich also diese Frage nicht restlos und schlüssig beantworten. Aber, so denke ich, habe ich unserem Nachwuchs mit diesem Bericht wichtige Kriterien in die Hand gegeben, Anhaltspunkte, nach denen jeder Trves selbst beantworten können sollte, ob er in der aktuellen Situation jemandem vertrauen darf.

Dies schreibe ich nieder, wohl wissend, dass Kommandant Brieseltrim Grieselhuck das Thema nicht als Frage, sondern als Aussage notiert hatte. Wohl wissend, dass er eine hieb- und stichfeste Begründung erwartete, da man immer zu folgen habe. Aber insbesondere aufgrund unseres eigenen Kodex bin ich nicht in der Lage, dieser impliziten Anforderung zu genügen. Trotzdem möchte ich den Herrn Kommandanten bitten, diesen Bericht wohlwollend zur Kenntnis zu nehmen.

Takal´Mor Karis

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