Der Wolpertinger: Ein Stueck bayrische Kulturgeschichte

Bericht von einer Sonderaustellung in Muenchen:

Preisfrage: Wer ist hier gemeint? "Sie entstehen durch die besonders starke Triebhaftigkeit bayerischer Hasen, die sich in ihrer ausufernden Geilheit mit anderen Tiergattungen paaren." Na, richtig: die Wolpertinger sind's, die bayern-spezifische Urviecher.

Der Wolpertinger habe sich aus bayerischen Stammtischbraeuchen zum festen Begriff aller ernsthaften Zoologen entwickelt, eine Idee habe sich materialisiert. "in einer Zeit der Desillusionierung und Vermassung ist diese Materialisierung des Wolpertingers kein Zufall. Unser Land war erfuellt von Schratzen, Truden und Trollen, die dem Bauern zur Hand gingen und boese Menschen schreckten. Es gibt sie nicht mehr, sie mussten gehen, aber sie gingen gerne, weil sie wussten, dass sie dem Wolpertinger Platz machen wurden. "

Der Wolpertinger ist ein Stueck bayrischer Kulturgeschichte und Ausdruck bajuwarischen Strebens, die Wirklichkeit durch Phantasie zu bereichern.

Die Methode des Wolpertingerfangens ist in allen Einzelheiten "uberliefert": Die Jagd mus immer nachts bei Vollmond sein und erfolgt mit einer Kerze aus Bienenwachs und einem leeren Kartoffelsack. Ein Wolpertinger kommt nur im Mondlicht aus seinem Bau. Nur 15 Tage vor einem zu erwartenden Gewitter mit Blitz und Donner kann der Jager seines Erfolges sicher sein. Die brennende Kerze wird vor den geoeffneten Kartoffelsack gestellt, angelockt durch den Lichtschein und den Duft von alten Kartoffeln schlupft der Wolpertinger in die Falle.

Dabei ist der Wolpertinger vom Aussterben bedroht. Der natuerliche Lebensraum dieses bayerischen Fabel-Urviechs ist durch landwirtschaftliche Ueberkultivierung, durch zunehmenden Strassenverkehr und Tourismus knapp geworden. Berichte uber Begegnungen mit dem urtuemlichen Wesen werden so immer seltener. Um die Symbolkraft und die volkskundliche Bedeutung dieses gehornten Hasens im Bewusstsein der Bevoelkerung zu erhalten, fand in Muenchen eine Sonderausstellung "Der Wolpertinger" im privaten "Zentrum fur aussergewohnliche Museen" bis zum 30.11.1994 statt. Es waren "fabelhafte" Exponate aus ganz Bayern zu sehen.

Zur Beschreibung der zoologischen Kuriositaet "Wolpertinger" zitieren wir den bayerische Heimatschriftsteller und passionierte Jaeger Ludwig Ganghofer, dem um die Jahrhundertwende ein Wolpertinger begegnete und den er als "Hirschbockbirkfuchsauergams" charakterisierte. Steinzeitliche Knochenfunde und Skelette beweisen, dass es den Wolpertinger schon seit Urzeiten in den Waldern Bayerns gibt. Der Vorfahre des eierlegenden Wolpertingers war zwei Meter lang, ein Fleischfresser mit verlangerten Eckzahnen und dichtem Fell. Gelingt es einem Bayern, ein "Nordlicht" mit dem Wolpertinger hereinzulegen, so verschafft ihm dies ein fuehl tiefster Genugtuung. Das Bayernland wird auch in Zukunft ein Wolpertingerland land bleibt.


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Last modified: 28.7.1995 00:00